An(ge)dacht - 29. April 2023
Wonnemonat Mai
Der Mai gilt als der dynamischste Monat. Die Natur explodiert geradezu, die Gefühle der Menschen spielen verrückt, Aufbruch, Neubeginn sind die Akzente dieser Tage – vielmehr als zum Beispiel im Januar, wo doch vieles noch wie eingefroren wirkt. Der Kalender des Kirchenjahres setzt zunächst einen anderen Akzent. Da geht es um Abschied. Zumindest bei den Jüngern Jesu, und vielleicht können wir das ein wenig nachempfinden. Denn Abschiede sind auch uns nicht fremd.
Für die Jünger heißt es bei der Himmelfahrt, Abschied zu nehmen von Jesus, der dem Leben Halt gegeben und Orientierung verliehen hat. Unklar, wie es weitergehen kann, das Ziel kann aus dem Blick geraten. Ich glaube, darin sind wir den Jüngern nicht unähnlich, wenn wir Gottes Gegenwart in unserem Leben nicht mehr spüren, wenn wir uns verlassen fühlen. Dann kann uns auch die Orientierung verloren gehen, und wir vergessen das Ziel unseres Lebens. Wir stochern im Klein-Klein des Alltags herum, rennen in Sackgassen, wissen nicht mehr weiter.
Was machen die Jünger? Sie folgen den Worten Jesu, gehen nach Jerusalem und – warten. Oder besser gesagt: sie erwarten – den versprochenen Heiligen Geist. Glücklich sehen sie dabei nicht aus, eher gequält, ein wenig genervt. Ich kann das verstehen. Warten ist auch nicht mein Ding. Was dann hilft – und was, glaube ich, auch den Jüngern geholfen hat: Sich immer wieder daran zu erinnern, worauf ich warte. Dann hört das Kreisen um mich selbst auf, und aus dem Warten wird Erwartung. Eine Sehnsucht erfüllt das Warten, das hoffnungsfroh wird. Oder wie es bei dem Komponisten Verdi im Gefangenenchor der Oper Nabucco heißt: „Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht. Lass‘ dich nieder in jenen Gefilden, wo in Freiheit wir glücklich einst lebten, wo die Heimat uns‘rer Seele ist.“
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